August und Elise Kutterer waren eng befreundet mit Arthur und Eva Schwall. Ihr Interesse an der Kunst verband die vier auf ganz besondere Weise. Aber auch die Lebensfreude kam nicht zu kurz. Man feierte zusammen, unternahm Ausflüge in die Rheinauen und den nahen Bienwald in der Pfalz zum Picknicken und natürlich zum Malen. Auch die Tochter Gisela von August und Elise und Arthurs und Evas Sohn Hans waren als Kinder nicht selten bei diesen Unternehmungen dabei.

Eva war Jüdin und mit der Machtübernahme der Nazis war auch ihr Leben bedroht. Die Verbundenheit und treue Freundschaft von August und Elise und der Mut ihrer Tochter Gisela
trugen unter anderem dazu bei, dass Eva diese schwere Zeit der Bedrohung überlebte. Kutterers wohnten in der Vorderstr. 14, das ist der Ortsanfang von Daxlanden. Arthur und Eva wohnten am anderen Ende in der Pfarrstraße neben der Künstlerkneipe, dort wo man einen kurzen Weg über die Federbachbrücke in die Rheinauen und in die Wiesen des Tiefgestades der sogenannten Fritschlach hat. Wenn der Lastwagen der Gestapo in die Vorderstraße einbog, um die Juden aus Daxlanden abzuholen, sprang Gisela auf ihr Fahrrad, raste durch die Vorderstraße und Pfarrstraße zum Haus von Eva und Arthur und informierte die beiden mit dem vereinbarten Satz: „Der Lastwagen kommt". So hatte Eva die Möglichkeit, sich in der Fritschlach zu verstecken und dort in einem der vielen Gärten einen Zufluchtsort zu finden.

Unsere Großmutter Elise und unsere Mutter Gisela haben uns diese Geschichten erzählt, die uns tief berührt und geprägt haben. Schon als Kinder erfuhren wir so, dass man für sein Tun verantwortlich ist, und dass Menschen den Mut zum Widerstand aufbringen können. Das war für uns ein Vorbild und hat bis heute unsere Haltung gegenüber anderen Menschen, in Beziehungen und Freundschaften geprägt.

Meine Mutter Gisela hat auch unseren Kindern, ihren Enkel berichtet, wie sie in dieser schweren Zeit im Kleinen Widerstand geleistet hat. Sie war engagierte Gruppenführerin einer katholischen Jugendgruppe. Die Nazis haben diese Gruppen verboten, denn es war nur die Mitgliedschaft bei der Hitlerjugend oder im Bund Deutscher Mädchen erlaubt bzw. verpflichtend. Daraufhin hatte meine Mutter ihre Gruppe nach außen so dargestellt, als seien sie genau in diesem Sinne tätig. In Wirklichkeit aber ging es in der Gruppenstunde weiterhin um Glaubensfragen und christliche Werte. Glücklicherweise hat niemand meine Mutter und die Mädchen ihrer Gruppe verraten.

Bei einem Gespräch über diese Themen mit unserer Tochter Miriam hat sie mir gesagt: „Die Oma hat mir erklärt, dass nicht alle mitgemacht haben, dass es auch anständige Menschen gab. Das ist für mich sehr wichtig. Ich bin froh, dass ich so eine Oma hatte."


28. Juli 2022 Elisabeth Schmitt